Noch relativ neu auf dem Markt und in einem Andertons YouTube Video hoch gelobt ist der kleine Fender Modelling Amp.
Das war natürlich ein guter Anreiz ihn mir selbst anzuschauen, denn ich suche gerade nach einer kleinen Drittlösung für Zuhause. Im Probenraum meiner Band steht mein 30W Röhrentop mit 2×12, im Keller habe ich meine 15W 1×12 Röhrencombo. Die ist mit knapp 16 Kilo plus Pedalboard aber auch schon nicht mehr so portabel wie ich es gerne hätte. Also wünsche ich mir etwas kleines, leichtes mit Reverb und gerne auch ein paar Effekten für gelegentliches Spielen im Wohnzimmer bei eher moderater Lautstärke. Natürlich ist da ein Modelling-Combo die erste Idee. Und ich habe in der letzten Zeit auch schon viele angespielt. Leider waren die meisten sehr ernüchternd, wenn man von einem Röhrenverstärker verwöhnt ist. Zu den vielen anderen Verstärker demnächst mehr. Heut geht es um den neuen Kandidaten von Fender. Hier meine Eindrücke von einem eintägigen Test.
Erster Eindruck
Beim Auspacken fallen mir zwei Sachen auf: Erstens ist der Verstärker für seine Größe, 50W und 1×12 Lautsprecher angenehm leicht. Zweitens sieht er für einen Fender recht akzeptabel aus. Ja, das muss ich so sagen, ich mag normalerweise den Look von Marshall mehr. Beim Champion 50XL hat Fender aber einiges anders gemacht: schwarzer Stoff vor dem Lautsprecher, normale Knöpfe – mir gefällt das besser als der übliche Fender Look.
Beim Anschalten die erste Ernüchterung: Das Ding rauscht. Und zwar nicht nur bei hohem Gain, sondern einfach immer. Es ist so ein leises Rauschen in den Höhen, wie man es von billigen Transistorverstärker knnet – vor kurzem begegnete es mir bei einem Marshall MG15. Nun gut, beim Spielen fällt es zum Glück nicht mehr auf. Denn 50W mit 1×12 können schon sehr laut werden: Für zuhause genügt der Volume Regler im ersten Drittel.
Ausstattung und Bedienung
Die Bedienung ist einfach aufgebaut und mir gefällt, dass man immer an den Reglern sieht, was eingestellt ist. Der Champion hat keine Speicherplätze oder Presets, sondern ganz klassisch zwei Kanäle: einmal Clean nur mit Volume und dann den zweiten Kanal mit Gain und Volume und 12 unterschiedlichen Verstärker-Modellen von Clean bis Metal. Diese werden über einen Drehregler ausgewählt, welcher aber nicht gerastet ist, sondern etwas undefiniert von einem Modell zum anderen wechselt. Den Wechsel erkennt man gut am unterschiedlichen Klang und es wechselt auch immer die Farbe der LED – eine eigene Bedeutung der Farben (grün, orange, rot) konnte ich dabei aber nicht erkennen. Beschriftet ist der Regler auch nur mit acht Bezeichnungen, so richtig schön ist das nicht zu bedienen, aber man bekommt es hin.
Zwischen den beiden Kanälen kann man mit einem Fußschalter hin- und herschalten und auch die Effekte sind damit an-/ausschaltbar. Allerdings wird der Fußschalter nicht mitgeliefert, man muss ihn extra kaufen.
Für die Klangregelung gibt es nur Treble und Bass, die sich auf beide Kanäle auswirken. Das reicht mir für Clean Sounds, aber für verzerrte Sachen wäre schon ein Mittenregler und ein zweiter EQ schön gewesen. Hier muss man deutliche Abstriche machen – beim Thema Klang schreibe ich dazu noch mehr.
Dann kommen die Effekte mit (ebenfalls) 12 Effekteinstellungen, hinter denen sich sieben Effekte in unterschiedlichen Varianten finden: Reverb, Chorus, Flanger, Delay, Touch Wah, Vibrato, Tremolo. Da ist das wichtigste dabei, lediglich einen Phaser hätte ich mir noch gewünscht. Die Bedienung ist wie bei den Verstärker-Modellen, wobei hier die Beschriftung etwas besser ist – nur das letzte Reverb hängt schon halb im Bereich des Chorus. Und warum Reverb+Chorus zwischen Aus und Reverb liegt statt zwischen Reverb und Chorus, müsste mir Fender auch mal erklären. Zusätzlich gibt es einen FX-Level mit dem man den Effekt in seiner Lautstärke und damit hörbaren Stärke anpassen kann. Das klappt gut. Es gibt auch noch eine Tap-Tempo Taste für Effekte wie z.B. Delay.
Wie bei vielen Übungsverstärkern findet sich auch ein Aux-In und Kopfhörer-Ausgang. Es gibt aber keinen USB-Anschluss, dieser fehlt gegenüber vielen anderen Modelling-Verstärkern. Für einfaches Heim-Recording ist der Fender Champion daher nicht gedacht, hier geht es ganz klar um das Spielen / Üben / Jammen. Dementsprechend gibt es auch kein Fein-Tuning der Modelle und Effekte per Computer oder Handy-App. Dies hilft der Einfachheit des Verstärkers, da man wirklich alles mit den wenigen Knöpfen an der Front einstellen kann, limitiert aber auch seine Möglichkeiten.
Klang
Der Clean-Kanal und die ersten fünf Modelle bieten Clean und Crunch auf der Basis von bekannten Fender-Verstärkern (Twin, Deluxe, Bassman, Princeton) und klingen gut. Bekanntlich ist dies seit Jahrzehnten die Stärke von Fender und das bestätigt sich hier. Auch das siebte Modell Brit Clean (60s British) passt recht gut.
Mit mehr Zerre im Bereich Overdrive (ab dem sechsten Modell: Deluxe+Overdrive) sieht die Welt aber ganz anders aus: Es wird sehr bassig und dumpf. Ich muss zugeben, dass ich generell eher etwas heller ausgelegte Ovedrive-Sounds mag. Bei den meisten Verstärkern drehe ich daher die Höhen auf 6 und den Bass auf 4 (bei einer üblichen 0-10 Skala). Also versuche ich das auch hier und stelle leider fest, dass es nicht hilft. Der Bass-Regler nimmt zwar einiges weg, aber eher die höheren Bässe. Ein tiefes Wummern bleibt immer vorhanden, selbst wenn ich den Bass ganz raus drehe. Auch der Treble-Regler sitzt mir zu nah an den Mitten, es wird damit heller, aber der Ton bekommt nicht den Biss den er haben sollte – hier fehlt es an Präsenz. Die Art der Verzerrung der Modelle ist nicht schlecht, aber der Ton geht für mich leider gar nicht. Es klingt alles wie mit einer billigen, bassigen Box schlecht abgenommen. Lediglich den Brit Crunch (80s British) bekomme ich so eingestellt, dass er für mich ordentlich klingt. Der High Gain 2 (Metal 2000) ist auch nicht so dunkel wie die anderen, aber extrem gescooped und damit nur für ganz bestimmte Sachen verwendbar – hier fehlt dann deutlich der Mitten-Regler.
Generell kommt auch das Problemen (fast?) aller Modelling-Verstärker zum Tragen: es klingt eher wie mit dem Mikrofon abgenommen und von CD gespielt als wie ein echter Gitarrenverstärker der direkte neben mir steht. Beim Fender Champion ist das sehr deutlich. Ein Röhrenverstärker hat da eine andere Lebendigkeit, die sich für mich vor allem bei Overdrive-Sounds zeigt und einen deutlichen Unterschied bei der Spielfreude macht. In aufgenommenen Tonbeispielen und Youtube-Videos hört man das nicht, aber wenn man die Gitarre selbst in der Hand hat und neben dem Verstärker steht, reagiert dieser einfach anders auf das eigene Spiel. Das ist schwer zu beschreiben, daher kann ich jedem nur raten, auch einmal einen kleinen Röhrenverstärker im Vergleich zu testen, z.B. einen Marshall DSL 5 oder besser DSL 20 oder Engl Rockmaster. Ich hielt die Begeisterung für alte Röhrentechnik früher auch für Unsinn, erlebe den Unterschied jetzt aber selbst und spiele meine Röhrenverstärker am liebsten.
Die Effekte des Fender Champion klingen nicht schlecht. Man kann damit durchaus arbeiten, auch wenn die Qualität teurerer Effektmodelle nicht erreicht wird. Es fehlt teilweise auch an Einstellmöglichkeiten, zum Beispiel liebe ich den High-Cut an meinem MXR Analog Chorus. Solche Details kann man hier nicht erwarten, sie würden aber auch das einfache Bedienkonzept des Fender sprengen.
Fazit
Wo Fender draufsteht ist auch Fender drin. Wer viel Clean oder mit leichtem Crunch spielt, zum Beispiel Jazz, Folk oder Blues, der bekommt hier für wenig Geld einen vielseitigen Verstärker. Er reicht nicht nur für zuhause sondern auch für Jams und Gigs. Was er nicht bieten kann, ist die Spielfreude eines Röhrenverstärkers – die findet man in diesem Preisbereich nicht. Wer – wie ich – vor allem Overdrive Sounds für Classic Rock, Hard Rock oder Metal sucht, der muss es schon dumpf und bassig mögen um mit dem Fender Champion etwas anfangen zu können. Dafür gibt es im gleichen Preisbereich deutlich geeignetere Verstärker – demnächst kommen dazu von mir weitere Testeindrücke.