Laut klingt Musik immer besser, das ist allgemein bekannt. Wenn es aber leise sein muss, wird E-Gitarre Spielen zur Herausforderung.
Vielen von uns Gitarristen macht ihr Instrument am meisten Spaß, wenn es laut ist und “die Hosenbeine” flattern. Nicht nur, dass unsere Ohren lautere Musik automatisch besser finden, auch die Interaktion der Gitarre mit dem Verstärker ist anders. Man hört die Saiten nicht mehr unverstärkt sondern nur noch, das was der Verstärker und die Box an tollen Töne daraus hervorzaubern.
Doch leider kommt uns immer wieder die Realität dazwischen und wir müssen leiser spielen. Das trifft uns vor allem zuhause, wenn Abends die Kinder nebenan schlafen oder der Nachbar sonst wegen Ruhestörung die Polizei ruft.
Was also kann man machen, damit die E-Gitarre auch leise richtig Spaß macht?
Und wie leise ist leise überhaupt?
Hierfür habe ich mein dB Meter bzw. Schallpegelmessgerät rausgeholt und einige Möglichkeiten untersucht. Dabei habe ich versucht jeweils die leiseste Einstellung zu finden, mit der die jeweilige Lösung noch gut klingt. Da kann man sich nun streiten wo die liegt, laut klingt ja (bis zur Schmerzgrenze) auch irgendwie immer besser. Ab einer gewissen Untergrenze an Lautstärke geht der Charakter des Verstärkers verloren und das ist für mich die Untergrenze, die ich hier angegeben habe.
Unplugged / Kopfhörer (ca. 60 dBA, 55-70 dBA)
Leiser geht es nicht: Wenn man die E-Gitarre unplugged, ohne Verstärker spielt, dann hört man doch noch immer die Saiten. Mein Messgerät zeigt hier eine relativ große Bandbreit an: bei sanft gespielten Einzelnoten sind es nur 55 dBA, ein kraftvoll angeschlagener G-Akkord kommt hingegen auf 70 dBA. Versucht man gleichmäßig zu spielen sind es die meiste Zeit ca. 60 dBA. Das ist wesentlich leiser als bei einer Akustischen Gitarre aber doch so hörbar, dass es die Freundin beim Lesen nebenan auf dem Sofa stören kann – vor allem wenn man gerade etwas Neues übt und sich noch einige falsche Töne einschleichen. Setzt man sich aber in einen anderen Raum und schließt die Tür, dann ist es gut.
Doch wie bekommt man nun den tollen Klang der verzerrten E-Gitarre? Die Lösung sind natürlich Kopfhörer. Die Frage ist allerdings, woran man sie anschließt. Genau hierfür gibt es kleine Kopfhörer-Verstärker. Sie werden direkt in die Gitarrenbuchse gestreckt und laufen mit Batterien. Angeschlossen wird dann ein Kopfhörer per Kabel, denn Bluetooth ist aufgrund seiner Latenz dafür bisher nicht geeignet (mit neuen Versionen soll das besser werden – ich bin gespannt).
Mögliche Verstärker
Vox Amplug II
Schon länger auf dem Markt sind die VOX Amplug Modelle. Es gibt ihn in verschiedenen Ausführen, jede soll einen Verstärker-Stil darstellen. Man hat Regler für Gain, Tone und Volume und kann zwischen unterschiedliche Modi mit Effekten umschalten. Ich hatte den Amplug II Classic Rock für einen Marshall Klang. Es fühlt sich deutlich mehr nach E-Gitarre an, als die Gitarre unplugged. Leider ist der Klang ziemlich rauschig und auch etwas schrill. Außerdem ist man im wesentlichen auf einen Sound begrenzt.
Bei Thomann für ca. 36,- Euro. Technisch vergleichbare Nachbauten bekommt man teilweise sogar für den halben Preis.
Nux Mighty Plug
Bei Nux bekommt man in einem ähnlich kleinen Gehäuse die ganze Fülle des digitalen Modelling. Direkt am Gerät gibt es allerdings nur einen Taster zum Umschalten der Presets, alle anderen Einstellungen macht man per Handy mit einer speziellen App. Für die E-Gitarre gibt es 9 Verstärkermodelle, 8 Boxen (in Form von IRs), 22 Effekte und ein Noisegate, dazu noch weiteres für die Bassgitarre. Ich habe dieses Gerät noch nicht getestet, aber der Beschreibung nach klingt es vielversprechend.
Bei Thomann für ca. 70,- Euro.
BOSS WAZA AIR
Eine besondere Kopfhörer-Lösung ist der BOSS WAZA AIR – siehe meinen Testbericht. Hierbei handelt es sich um einen Kopfhörer in dem ein digitaler Modelling-Verstärker eingebaut ist. Ein kleiner Plug kommt in die Gitarrenbuchse und überträgt das Signal kabellos mit sehr geringer Latenz. Außerdem ist in den Kopfhörer ein Gyro-Sensor eingebaut, sodass die Kopfbewegung ermittelt wird und sich der Klang anpasst, als würde man vor einem echten Verstärker stehen. Ganz perfekt funktioniert das leider noch nicht, aber diese Lösung liefert den räumlichsten Klang, den ich bisher per Kopfhörer erlebt habe.
Bei Thomann für ca. 400,- Euro.
Neben den speziellen, kleinen Geräten kann man auch an diversen Modelling-Floorboard (siehe meine Übersicht) gut mit Kopfhörer spielen. Sogar Röhren-Topteilen lassen mit einem Powersoak mit Speaker-Emulation (idealerweise mit IR) und Kopfhörer-Ausgang nutzbar machen. Natürlich kommt man damit schnell in ganz andere Preisregionen.
Kleiner Batterie-Verstärker (ab ca. 70 dBA)
Etwas lauter wird es dann mit kleinen Übungsverstärkern. Die meisten haben einen oder zwei 3” Lautsprecher und sind genau für das Üben zuhause ausgelegt. Für eine Bandprobe mit Schlagzeuger wären sie zu leise, aber für einen Jam mit einem anderen Gitarristen reicht es aus.
Im Vergleich zum Kopfhörer hört man hier bei geringen Lautstärken natürlich noch etwas den direkten, unverstärkten Klang der Saiten. Solange man nicht mit einem Pitch-Shifter Effekt spielt, finde ich das aber nicht schlimm. High-Gain Metal klingt trotzdem für mich passen.
Ihren typischen Klang erreichen diese Verstärker schon bei relativ geringer Lautstärke, bei meinem Vox Adio Air GT genügen mir im Test 70 dbA, damit es angenehm war. Außerdem können die kleinen Lautsprecher den Bass nicht übertragen, es werden daher Schaltungen wie bei einem Walkman verwendet: die Obertöne der Bässe werden verstärkt und dadurch der Bass hörbar. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass es keine Energievollen Schallwellen niedriger Frequenzen gibt und man den Verstärker im Nebenraum daher viel weniger hört.
Mögliche Verstärker
Hier gibt es eine ganze Menge an Modellen. Geräte wie der Boss Katana Mini und der Laney Mini-St-Iron sind in Transistortechnik aufgebaut und bilden das untere Ende. Besser sind die kleinen digitale Modelling-Verstärker wie VOX Adio Air GT und Yamaha THR10. Inzwischen gibt es den Yamaha THR 30 II Wireless, der fast alles bietet, was ich mir bei meinen oben verlinkten Test noch gewünscht habe: Drahtlose Übertragung des Gitarrensignals, mehr Verstärkermodelle, ein eingebauter Akku mit Docking-Ladestation. Würde ich heute eine solche Lösung suchen, wäre dies mein erster Kandidat.
VOX Adio Air GT bei Thomann für ca. 250,- Euro.
Yamaha THR 30 II Wireless bei Thomann für ca. 480,- Euro.
Kleiner Modelling Combo (8″ oder 10″, ab ca. 78 dBA)
Jetzt kommen wir zu etwas größere Verstärkern, die sich auch noch gut zuhause bändigen lassen. Ich habe festgestellt, dass gerade Digitales Modelling mit etwas kleinerem Lautsprecher da gut funktioniert – mein Blackstar ID15:TVP hat einen 10” Speaker. Richtig laut kann er trotzdem werden, mit Master Volume halb aufgedreht (auf 12 Uhr) sind es schon 120 dBA. Da sind wir bereits an der Schmerzgrenze und müssten einen Gehörschutz tragen, damit unsere Ohren keinen Schaden nehmen. Siehe auch meine Testübersicht zu kleinen Modelling-Verstärkern.
Mögliche Verstärker
Auch in dieser Kategorie gibt eine ganze Menge Kandidaten. Ich habe dazu schon vor einiger Zeit etwas geschrieben, als ich selbst auf der Suche nach solch einem Verstärker war: Kleine Modelling Verstärker – Vergleichstest
Röhren-Combo (12″ offen, ab ca. 82 dBA)
Als letzte Kategorie für das Spielen zuhause kommt nun ein sehr klassischer Gitarren Verstärker: ein Röhrenverstärker in Combo-Bauweise mit 12” Lautsprecher. In diesem Vergleichstest ist es mein Laboga The Beast 15W.
Manche Gitarristen meinen, ein Röhrenverstärker müsse weit aufgerissen, sprich mit hohem Master-Volume und großer Lautstärker gespielt werden, damit er “lebt”. Ich finde das nicht. Natürlich klingt laut immer besser – das ist ein bekannter Effekt unserer menschlichen Hörwahrnehmung (zumindest bis zur Schmerzgrenze). In meinem Test musste ich den Röhren-Combo nur ein wenig lauter drehen als meinen Modelling-Verstärker, damit er mir gefällt. Schon bei 82 dBA bekam ich dieses Gefühl von dynamischer Lebendigkeit, dass ich mit Modelling bisher noch nicht wirklich erlebt habe.
Und nebenan?
Interessant ist aber nicht nur die Lautstärke im Raum sondern auch die im Nebenraum. Hier habe ich keine Messungen gemacht, aber der Unterschied zwischen dem 12” Röhrencombo und dem 10” Modeller waren dort deutlicher. Das ist auch logisch: Je größer der Lautsprecher, desto mehr und auch tiefere Bassfrequenzen werden abgegeben. Und diese übertragen sich als Körperschall wesentlich stärker durch Wände oder Decken als hohe Töne. Für meinen Musikraum hatte ich dazu eine Loop gebastelt, mit 120 dB(A) abgespielt und dann in den anderen Räumen und beim Nachbarn gehört, wie laut es war. Das Ergebnis war zum Glück so leise, dass ich aktuell mit zwei 12” am Röhrenverstärker und dem 10” Modelling-Verstärker parallel als Stereo Setup spielen kann – siehe meinen Artikel zum fetten Gitarrensound zuhause. Da hatte ich wirklich Glück mit meinem Kellerraum.
Fazit
Ich habe meine Messergebnisse in eine dB(A) Skala mit ein paar anderen Geräuschquellen zum Vergleich eingetragen.
Die oft genannte Schlafzimmer-Lautstärke läßt sich nicht erreichen, dafür ist bereits das Geräusch der unverstärkten E-Gitarre mit ca. 60 dB(A) deutlich über den 40 dB(A) in einem typischen Schlafzimmer. Man ist damit auf dem Niveau einer normalen Unterhaltung und kann somit evtl. am anderen Ende im selben Raum sitzen ohne jemanden zu stören. Mit kleinen Modelling-Verstärkern schafft man eine Lautstärke, die noch leise genug ist um bei geschlossener Tür und nicht zu dünnen Wänden im Nebenraum akzeptabel zu sein. Mit einem 12″ Lautsprecher am Röhrenverstärker erzeugt die Gitarre dann Lautstärken, die besser zwei Stockwerke entfernt oder speziell gedämmt sein sollten.
Wenn man also Zuhause die Gitarren Geräusche möglichst nicht in andere Räume dringen lassen möchte, sollte man eher zu den kleineren Boxen und Modelling-Verstärkern greifen. Diese haben oft spezielle Techniken eingebaut um die physikalisch fehlenden Bassfrequenzen durch geschickte Obertöne im Höreindruck auszugleichen. Das klingt dann gut ohne den Nachbarn zu stören.